INTERVIEW
von Tony Attwood mit Temple Grandin

Im Blickpunkt
Tony & Temple

Dieser Artikel (die Originalversion) wurde ursprünglich in der Januar-Februar 2000 Ausgabe 2000 von Autism Asperger’s Digest abgedruckt von 'Future Horizons'. Für weitere Information darüber besuchen Sie bitte http://www.autismdigest.com/

Anmerkung:: Das folgende Interview wurde aufgenommen am 9. Dezember 1999, während einer Präsentation von Temple Grandin in San Francisco für Future Horizons. Das Publikum war begeistert, und durfte viele persönliche und manchmal humorvolle Einblicke in Temples Leben nehmen. Es war eine seltene Chance Temple selber lachen zu sehen . . . Viel Spaß!

Temple Grandins Autobiographie, Emergence: Labeled Autistic (Durch die gläserne Tür) und ihr nachfolgendes Buch, Thinking in Pictures, enthalten zusammengenommen mehr Informationen und Einblicke in den Autismus, als ich in irgendeinem Fachbuch gelesen habe. Als ich das erste Mal eine ihrer Präsentationen miterlebte, bemerkte ich sofort ihre Offenheit und Aufrichtigkeit. Die gesamte Zuhörerschaft war gefesselt von ihrem Wissen.

Ich war erfreut darüber, als man mich um ein Interview mit Temple bat, weil es die Möglichkeit bot, ihren Rat zu hören in vielerlei Hinsicht. Sie hat eine erstaunlich gewinnende Persönlichkeit und während des Inteviews in San Francisco hat sie die gesamte Zuhörerschaft von über 300 Menschen für sich gewonnenn. Der Applaus am Schluß war laut und anhaltend.

Temple ist meine Heldin. Sie hat meine Stimme als die Person, die den größten Fortschritt in unserem Verständnis für den Autismus in diesem Lande gebracht hat.

Dr. Tony Attwood

 

Tony:

Temple, Du wurdest mit Autismus diagnostiziert, als Du 15 Jahre alt warst.
Wie haben Deine Eltern Dir das beigebracht, und wie hast Du Dich gefühlt, als Du darüber informiert wurdest?

Temple:

Nun, sie haben es mir nie wirklich beigebracht. Ich habe es irgendwie selber herausgefunden auf merkwürdige Weise von meiner Tante. Denk daran, daß ich 53 Jahre alt bin, und jene Zeit war eine Freudianische Ära, eine völlig andere Zeit. 

Eigentlich, ja eigentlich war ich irgendwie erleichtert herauszufinden, daß da irgendetwas nicht stimmte mit mir. Es erklärte, warum ich mit anderen Kindern in der Schule nicht klar kam, und warum ich einige Dinge, die Teenager nun einmal tun nicht verstanden habe - wie als meine Zimmergenossin ohnmächtig wurde wegen der Beatles. Sie rollte kreischend auf dem Fußboden vor der Ed Sullivan Show. Ich dachte, ja, Ringo ist süß, aber ich würde nicht mit ihm auf dem Fußboden rollen . . .

Tony:

Nun, wenn es Deine Aufgabe wäre, einem 14- oder 15-jährigen zu erklären, daß Du Autismus oder Asperger Syndrom hast, wie würdest Du heute vorgehen?

Temple:

Ich denke ich würde ihm Dein Buch und mein Buch geben . . . Nun, ich würde es wahrscheinlich nur in einer technischen Weise erklären, daß es eine unreife Entwicklung im Gehirn ist, die das sozialen Zurechtfinden beeinträchtigt. 

Ich bin grundsätzlich ein “Tekkie” - diese Art von Person bin ich. Ich möchte Dinge richten. Bei den meisten Dingen, die ich tue, gehe ich den ingenieurmäßigen Weg; meine Emotionen sind einfach. Ich fühle Zufriedenheit, wenn ich gute Arbeit tue. Ich fühle Zufriedenheit, wenn Eltern zu mir kommen und sagen "Ich habe Dein Buch gelesen, und es hat meinem Kind in der Schule geholfen". Ich fühle Zufriedenheit durch das, was ich tue.

Tony:

Ich glaube mich erinnern zu können, daß als du sehr klein und sehr autistisch warst, gab es bestimmte autistische Verhaltensweisen, die Dich ehrlich erfreut haben. Was genau waren sie?

Temple:

Eines der Dinge, die ich gewöhnlich tat, war es, Sand durch meine Finger rieseln zu lassen, und dabei den Sand zu beobachten, jedes einzelne Körnchen zu studieren wie ein Wissenschaftler mit einem Mikroskop. Wenn ich das tat, konnte ich die ganze Welt ausblenden. Weißt Du, ich denke es ist OK für ein autistisches Kind hin und wieder so etwas zu tun, denn es ist beruhigend. 

Aber wenn sie es den ganzen Tag tun, dann werden sie sich nicht entwickeln. Lovaas Forschung zeigt, daß Kids 40 Stunden in der Woche mit der Welt verbunden sein sollten.
Ich bin nicht einverstanden mit 40 Stunden pro Woche bei, wie ich es nenne 'Kernangewandter Verhaltensanalyse', einfach nur am Tisch.

Aber ich hatte 40 Stunden wöchentlich in der Welt. Ich hatte anderthalb Stunden pro Tag Miss Manners Mahlzeiten, bei denen ich mich benehmen mußte. Die Kinderfrau spielte strukturierte Kinderspiele mit mir und meiner Schwester, die eine Menge Gegenseitigkeit verlangten. Ich hatte meine Sprachtherapie-Klasse jeden Tag . . . all diese Dinge waren sehr wichtig für meine Entwicklung

Tony:

Eben benutztest Du das Wort 'beruhigend'. Eines der Probleme, die einige Personen mit Autismus oder Asperger Syndrom haben ist, mit ihrem Temperament umzugehen. Wie konntest Du Dein Tempetament kontrollieren?

Temple:

Als ich ein kleines Kind war, und ich hatte Wutausbrüche in der Schule, sagte meine Mutter einfach, "Du wirst heute Abend nicht die Howdy Doody show anschauen."

Ich war in einer normalen Schule - 12 Kinder in einer Klasse, ein strukturierter Klassenraum. Es gab eine Menge Absprachen zwischen der Schule und zu Hause. Ich wußte, daß ich nicht meine Mutter gegen die Lehrer ausspielen konnte, oder umgekehrt. Ich wußte ganz einfach, wenn ich ausrastete, wenn mein Temperament mit mir durchging, dann würde ich an diesem Abend kein Fernsehen schauen. 

Als ich auf die höhere Schule kam, und andere Kinder ärgerten mich, bin ich ich in einige ernsthafte Faustkämpfe geraten. Ich wurde aus der Schule geworfen - das war eben nicht gut. 

Und dann, als ich fortging ins Internat, und dort in Faustkämpfe verstrickt wurde, drohte man mir an, mir das Reiten zu verbieten. Nun, ich wollte aber gerne reiten, und nachdem man mir ein einziges Mal die Erlaubnis zu Reiten genommen hatte, hörte ich auf zu kämpfen. So einfach war das.

Tony:

Aber darf ich fragen, persönlich, gegen wen hattest Du gekämpft, und: hast Du gewonnen?

Temple:

Nun . . . Gewöhnlich habe ich eine Menge Kämpfe gewonnen . . .

Tony:

Hast Du gegen die Mädchen oder gegen die Jungs gekämpft?

Temple:

Beides - immer gegen die, die mich ärgerten.

Tony:

Also, Du hast die Jungen erledigt?

Temple:

Oh, Ich erinnere mich, einmal habe ich einen Jungen direkt in der Cafeteria geboxt . . . 

Und dann, als ich aufhörte zu kämpfen, ging es so weiter, daß ich einfach anfing ich zu weinen, denn ich mußte meine Emotionen auf irgendeine Weise loswerden. Das passiert noch heute - Ich weine einfach, denn das ist meine Art, das Kämpfen zu verhindern. Ich vermeide möglichst Situationen, wo Menschen explodieren und wütend werden. Ich gehe einfach woanders hin.

Tony:

Ich würde Dich gerne etwas technisches fragen. Wenn Du 10 Millionen Dollar für die Forschung hättest, und Du könntest entweder Forschung in neuen Bereichen damit beginnen, oder existierende Bereiche unterstützen, wo würdest Du das Geld anlegen?

Temple:

Einer der Bereiche wo ich es anlegen würde, wäre, wirklich herauszufinden, was die ganzen sensorischen Schwierigkeiten hervorruft. Mir ist bewußt, daß es nicht das Kerndefizit des Autismus ist, aber es ist etwas, was es Menschen mit Autismus extrem schwierig macht zu funktionieren. 

Eine andere wirklich schlimme Sache ist, besonders am High-Functioning Ende des Spektrums, daß je älter die Menschen werden, desto mehr wächst die Angst. Auch wenn sie Prozac oder Ähnliches nehmen, sind sie so furchtsam, daß es schwierig ist zu funktionieren. Ich wünschte, es gäbe einen Weg dies zu kontrollieren, ohne sie mit Drogen und Medikamenten zu Tode zu dopen.

Dann gibt es Themen wie, sollten wir dem Autismus vorbeugen? Ich bin sehr besorgt über dieses Thema, denn wenn wir die Genetik, die den Autismus auslöst komplett auslöschten, dann würden wir auch eine ganze Menge talentierter und begabter Menschen auslöschen, so wie Einstein. Ich denke das Leben ist ein Kontinuum von normal bis unnormal. Schlußendlich sind es nicht die wirklich sozialen Menschen, die Computer entwickeln, die Kraftwerke bauen oder große Hotelanlagen so wie diese hier. Die sozialen Leute sind viel zu sehr damit beschäftigt sozial zu sein.

Tony:

Nun, Du würdest also nicht dafür sammmeln, Asperger Syndrom loszuwerden. Du siehst es also nicht als Tragödie an?

Temple:

Also, es wäre vielleicht ganz schön, die Ursachen für die Schwerstbehinderungen loszuwerden, wenn es dann einen Weg gäbe einen Teil der Genetik beizubehalten.

Aber das Problem besteht darin, das es eine Menge interagierender Gene gibt. Wenn man ein paar der Züge hat, bzw. nur leichte Ausprägungen, ist es gut, wenn man zuviel der Züge hat, ist es schlecht. Es scheint, daß so die Genetik funktioniert.

Eine Sache die ich durch meine Arbeit mit Tieren gelernt habe ist, wenn Züchter eine bestimmte Eigenart überselektieren, kann es passieren, daß schlechte Züge damit einhergehen, und mit verstärkt werden. Zum Beispiel Hühner, sie wurden ausgewählt für schnelles Wachstum und eine Menge Fleisch, aber dann hatten sie Probleme mit dem Knochengerüst, daß nicht mehr stark genug war. Also wurde ein starkes Skelett wieder eingezüchtet. Und die große, üble Überraschung war, es kamen Hähne dabei heraus, die die brütenden Hennen attackierten and nach ihnen hackten. Als sie die starken Knochen wieder eingezüchtet hatten, verloren sie dabei das normale Brutverhalten der Hähne. 

Nun, wer hätte solche merkwürdigen Schwierigkeiten vorrausgesagt? So funktioniert die Genetik.

Tony:

Temple, eine Eigenschaft von Dir ist, daß Du Leute zum Lachen bringst. Ich denke, manchmal ist das gar nicht Deine Absicht, aber Du hast eine großartige Gabe andere zum Lachen zu bringen. Was bringt Dich zum Lachen? Wie ist Dein Sinn für Humor?

Temple:

Einmal, mein Humor ist basiert auf visuellen Dingen. Als ich Dir über die Hühner erzählte, sah ich Bilder von ihnen. Einmal war ich im Konferenzraum unserer Abteilung an der Universität. Sie haben gerahmte Bilder dort von allen ehemaligen Abteilungsleitern, in schweren, breiten Holzrahmen. Ich schaute darauf und sagte, "Oh, gerahmte Kerle!" (Anm. d. Übers.: Sie sagte 'framed geezers', ich vermute dabei ein Wortspiel, das wohl nur im Englischen funktioniert...) An einer anderen Fakultät schaute ich mir ähnliche Bilder an, und ich wollte platzen vor lachen, als ich an die 'gerahmten Kerle' dachte. Das ist visueller Humor.
Tony: Und, Du hast eine Geschichte über Tauben?
Temple: Oh ja, die Sache mit den Tauben. Wayne und ich rollten uns einmal am Boden vor lachen in einer Nacht über die Tauben. Am Denver Flughafen sind eine Menge Tauben und sie säubern dort nicht von toten Tauben auf dem Parkplatz. Ich fing an darüber nachzudenken, an welchen Ort ich die toten Tauben packen könnte . . . wie einen Taubenschmuck für das Verdeck für die ganzen Stadt-LKWs von Denver und so.
Dann gibt es dort diesen Ort der 'Tauben-Fall-Zone' genannt wird. In der Parkzone da ist dort dieser Beton-Pfeiler wo sie alle nisten . . . nun, und man möchte natürlich nicht in der 'Tauben-Fall-Zone parken'. Jedes Mal, wenn ich in das Parkhaus gehe, frage ich mich, welches teure, große, tolle 30,000 Dollar Gefährt wieder in der 'Tauben-Fall-Zone' geparkt hat...
Tony: Also, das erklärt warum Du manchmal in Gelächter ausbrichst, und andere Leute haben keine Ahnung was da vor sich geht.
Temple: Das stimmt, einfach weil ich auf ein Bild innerhalb meines Kopfes schaue, daß irgendwie lustig ist . . . Ich sehe einfach diese Motorhaube eines LKWs der Stadt Denver mit dem Taubenschmuck vor mir - es ist einfach urkomisch.

Tony: Über Deine Familie: Deine Mutter war ein sehr wichtiger Teil Deines Lebens. Was für eine Art Person war sie? Was hat sie persönlich getan, das Dir geholfen hat?
Temple: Sie hielt mich außerhalb von Institutionen, das zu allererst. Du mußt dabei im Kopf behalten, daß das alles 50 Jahre her ist; alle Experten empfahlen, mich in eine Institution zu geben. Mutter brachte mich zu einem wirklich guten Neurologen, und der Neurologe empfahl die Sprachtherapie im Kindergarten. Das war einfach Glück. Der Kindergarten wurde von zwei Frauen geleitet, in ihrem eigenen Haus. Sie hatten dort sechs Kinder, und die waren nicht alle autistisch. Sie waren einfach gute Erzieherinnen, die wußten, wie man mit Kindern umgeht.
Als nächstes holte sie ein Kindermädchen, als ich drei war, und dieses Kindermädhcen hatte schon Erfahrung mit autistischen Kindern. Ich habe das Gefühl, daß diese Kinderschwester möglicherweise selber Asperger hatte, denn sie hatte einen alten Autositz aus ihrem Jeep in ihrem Zimmer - es war ihr Lieblingsplatz zum sitzen . . .
Tony: Wie hat Deine Mutter als Person Dir noch geholfen?
Temple: Also, sie hat eine Menge mit mir gearbeitet. Sie ermutigte mein Interesse an Kunst; sie zeichnete manchmal mit mir. Sie arbeitete als Journalistin, hat eine Fernsehsendung über retardierte Menschen zusammengestellt, und eine andere Sendung über emotional gestörte Kinder. 

Als Journalistin hat sie verschiedene Schulen besucht. Als ich in Schwierigkeiten geriet in der 9. Klasse, weil ich ein Mädchen mit einem Buch beworfen hatte - ich wurde rausgeschmissen aus der Schule und wir mußten eine neue Suchen - fand sie ein Internat, das eine der Schulen war, die sie in ihrer Funktion als Journalistin besucht hatte. Wenn sie das nicht getan hätte für mich, . . . ich weiß nicht, was dann geschehen wäre.

Als ich erst einmal im Internat war, da fand ich dann Menschen wie mein Naturkundelehrer, und meine Tante Ann draußen auf der Ranch, die ein anderer wichtiger Mentor für mich war. Aber es gab noch eine Menge anderer Leute die mir auf meinem Weg halfen.

Tony: Und wie ist das mit Deinem Vater? Bitte beschreibe Deinen Vater und Deinen Großvater.
Temple: Mein Großvater mütterlicherseits erfand den Autopiloten für Flugzeuge. Er war sehr schüchtern und still; er war nicht sehr sozial. Auf meiner väterlichen Seite hatten wir Temperament-Schwierigkeiten. Mein Vater dachte nicht, aus mir würde viel werden, er war auch nicht sehr sozial.
Tony: Wie entspannst Du Dich? Was tust du, um zur Ruhe zu kommen am Ende des Tages?
Temple: Bevor ich Medikamente bekam, schaute ich gewöhnlich Star Trek - Ich war ein ziemlicher Trekkie. Eines der Dinge die ich besonders an der alten, klassischen Star Trek Serie mochte war, daß daß sie immer gute, moralische Prinzipien hatte. 

Ich bin sehr besorgt über die ganze Gewalt und so. Nicht so sehr darüber, wieviele Gewehre knallen in irgendeinem Film, sondern, daß der Held oft keine guten Werte hat. Als ich ein kleines Kind war, haben Superman und die Lone Ranger niemals etwas Falsches getan. Heutzutage haben wir Helden, die Dinge tun wie die Frau ins Wasser schmeißen oder die Frau wird am Ende erschossen; der Held sollte die Frau beschützen, nicht erschießen lassen. 

Man hat keine klar umrissenen Werte. Und das beunruhigt mich, denn meine Moral wird von Logik bestimmt. Was wären aus meiner Logik und meiner Moral geworden, wenn ich damals nicht die Sendungen gesehen hätte, mit klaren moralischen Prinzipien?

Tony: Wenn wir ins nächste Millenium gehen, in weiteren hundert Jahren, was meinst Du, wie sich unser Verständnis des Autismus ändern wird?
Temple: Oh, Ich weiß es nicht . . . wir werden wahrscheinlich die Gentechnik beherrschen und es wird ein Programm Windows 3000 "Stelle einen Menschen her" geben. Man wird dann den DNS Code lesen können. Wir wissen heutzutage noch nicht genau, wie das funktioniert. Wissenschaftler können die DNS manipulieren - herausnehmen und einbauen - aber sie können nicht den vier-Basen-Quellcode lesen. In hundert Jahren wird man dazu in der Lage sein. Und ich glaube nicht daß es dann noch Autismus geben wird, jedenfalls nicht in den schweren Ausprägungen, denn wir werden in der Lage sein, die DNS absolut zu manipulieren.
Tony: Es gibt eine Anzahl von Leuten, die Autismus oder Asperger Syndrom haben, die Autobiographien geschrieben haben. Wer sind Deine Helden im Autismus/Asperger Bereich, die selber Betroffen sind?
Temple: Ich schaue wirklich auf die Leute, die aus ihrem Leben einen Erfolg gemacht haben. Es gibt eine Dame mit Namen Sara Miller; sie programmiert Industriecomputer für Fabrikautomation. Es gibt eine Dame hier heute Abend, sehr hübsch gekleidet, die ihr eigenes Juweliergewerbe besitzt, und sie erzählte mir, sie habe Asperger. Solche Leute sind meine Helden. Jemand, der sein Leben zum Erfolg bringt, der aufsteht, und Dinge bewirkt.
Tony: Was ist mit berühmten historischen Persönlichkeiten. Welche meinst du könnten Autismus oder Asperger Syndrom gehabt haben?
Temple: Ich denke Einstein hatte eine Menge autistischer Züge. Er redete nicht, bis er drei Jahre alt war - ich habe ein ganzes Kapitel über Einstein in meinem letzten Buch.
Ich denke Thomas Jefferson hatte einige Asperger Züge.
Bill Gates hat ein enormes Gedächtnis. Ich erinnere mich einen Artikel gelesen zu haben, daß er als Kind die gesamte Torah auswendig konnte. 

Es ist eine Kontinuum - es gibt einfach keine Schwarz-Weiß-Trennungslinie zwischen einem Computerexperten, und sagen wir einer Asperger Person. Es verläuft alles irgendwie ineinander. Deswegen, wenn wir die Gene loswerden, die Autismus verursachen, könnte es ein fürchterlicher Preis sein, den wir dafür zu zahlen haben. Vor Jahren sagte einmal ein Wissenschaftler in Massachusetts, daß wenn man alle Gene, die irgendwelche Störungen verursachten ausmerzen würde, dann würden nur staubtrockene Bürokraten überbleiben!

Tony eröffnet das Interview für Fragen aus dem Publikum

Hier ist eine der besten:

Woran hast Du gemerkt, daß Du Kontrolle über Dein Leben hast?

Temple: Ich war kein guter Schüler in der Hochschule; Ich habe oft einfach nur 'rumgehangen. Weil ich ein visueller Denker bin, mußte ich den Tür-Symbolismus nutzen - eine echte reale Tür, durch die ich in echt hindurchgehen konnte - das symbolisierte, daß ich den nächsten Schritt im Leben tat, ein neues Level erreichte. Wenn man visuell denkt, und nicht viel Information auf der Festplatte hat von früheren Erfahrungen, dann muß man etwas haben, das man als sichtbare Karte benutzen kann. 

Mein Naturkundelehrer hat mich für verschiedene Wissenschaftsprojekte motiviert, und ich habe festgestellt, wenn ich aufs College wollte, und Wissenschaftler werden, dann mußte ich lernen. Eines Tages zwang ich mich durch diese Türe zu gehen, und ich sagte, "OK, ich werde versuchen zu lernen während des Französischunterrichts".

Aber es gab einen Punkt an dem ich feststellte, daß ich etwas an meinem eigenen Verhalten ändern mußte. Und ich mußte einige Male erfahren, daß dies nicht so einfach war, wie zum Beispiel als mein Chef sauer auf mich war, weil ich so ein totaler Schmutzfink war. Es gab Vorbilder, Mentoren, die mich zwangen - und das war nicht immer angenehm - aber sie zwangen mich zu merken, daß ich mein Verhalten ändern mußte. Ich durfte nicht einfach als totaler Dreckspatz herumlaufen; Ich mußte etwas tun, um diesen Zustand zu ändern. 

Ich habe einige der frühen Schriften über Autismus gelesen - von Kanner, glaube ich - daß autistische Personen, die Erfolg haben, merken, daß sie aktiv etwas tun müssen, um an ihrem Verhalten zu arbeiten. Sie können nicht einfach herumsitzen, und über die Dinge jammern und sich beschweren. Sie müssen aktiv etwas tun, um diese Dinge zu ändern. Gute Mentoren können ihnen dabei helfen.

Temple ist Autorin von zwei Büchern über Autismus: Emergence: Labeled Autistic (Durch die gläserne Tür) und Thinking in Pictures. Sie ist eine weltbekannte Rednerin über Störungen, die zum Autismusspektrum zählen. 
Tony Attwood ist klinischer Psychologe, in Australien praktizierend; er ist spezialisiert auf Asperger Syndrom und ist eine der großen Autoritäten auf diesem Gebiet. Er hält häufig Vorträge in den USA und ist Autor des Buches Asperger’s Syndrome: A Guide for Parents and Professionals (Das Asperger Syndrom: Ein Ratgeber für Eltern)

Original

Übersetzt von: Diana Leineweber, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Tony Attwood