Die Entdeckung von „Aspie”
Kriterien von Attwood und Gray
Carol Gray und Tony Attwood, Herbst 1999
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Einige der besten Entdeckungen dieses Jahrhunderts waren kreative und zielstrebige Anstrengungen um ‘Was wäre, wenn...?’ Fragen zu beantworten. Was wäre, wenn Menschen fliegen könnten? Was wäre, wenn elektrische Energie nutzbar gemacht werden könnte um Licht zu erzeugen? Was wäre, wenn es ein einfach zu erreichendes, internationales Kommunikations- und Informationsnetzwerk gäbe? Die antworten resultierten in bleibenden Veränderungen: Luftfahrt, Glühbirnen, das Internet. Diese Entdeckungen habe ihre weniger effektiven Vorläufer vom Gebrauch fast völlig verdrängt: Verschwunden sind Postkutsche, Gaslaternen, und vielbändige, gebundene Enzyklopädien. Diese Verbesserungen erinnern uns an unsere Möglichkeit und Fähigkeit zu experimentieren, umzugestalten, umzudenken und vorzustellen. In diesem Geist verweist dieser Artikel auf eine neue Frage: Was wäre, wenn Asperger Syndrom anhand seiner Stärken definiert wäre? Welche Veränderungen würde das bewirken?

Bewegung: weg von Diagnose, hin zu Entdeckung
Um eine Diagnose zu stellen, muß man die Aufmerksamkeit auf Schwächen richten, die Beobachtung und Interpretation von Anzeichen und Symptomen, die von der normalen Entwicklung oder Gesundheit abweichen. Sicherlich wäre es ein wenig entwaffnend, zum Doktor zu gehen, einer Diagnose wegen, und er fragt nur, ‘Also, was fühlt sich absolut toll an?’. Das DSM IV (American Psychiatric Association, 1994) hilft bei der Identifikation unterschiedlicher Störungen. Es wird von Psychiatern und anderen Experten für psychische Gesundheit angewendet, um beobachtete Schwächen, Symptome und Verhaltensweisen mit dem Text, der Lehrmeinung, in Einklang zu bringen. Im DSM IV wird Asperger Syndrom identifiziert mit speziellen diagnostischen Kriterien, einer Konstellation von beobachteten sozialen und kommunikativen Verzögerungen und/oder Abweichungen. Einmal diagnostiziert wird von dem Kind oder Erwachsenen gesprochen in der politisch korrekten ‘Erst die Person’ Terminologie, also eine Person mit Asperger Syndrom.

Anders als Diagnose bezieht sich die Bezeichnung Entdeckung eher auf die Identifikation der Stärken oder Talente einer Person. Schauspieler werden entdeckt. Künstler und Musiker werden entdeckt. Ein guter Freund wird entdeckt. Diese Menschen werden identifiziert mit einer informellen Kombination von Bewertung und Bewunderung, die unweigerlich zu der Schlußfolgerung führt, daß diese Person - mehr als andere - bewundernswerte Qualitäten, Fähigkeiten, und/oder Talente besitzt. Es ist die Anerkennung, daß, „Du weißt, er ist besser als ich in...”. Wenn man sich auf Personen bezieht mit Respekt gegenüber ihren Talenten oder Fähigkeiten, so ist die politisch korrekte ‘Erst die Person’ Terminologie überflüssig. Etikette wie Musiker, Künstler, oder Dichter werden begrüßt und als Kompliment gesehen.

Wenn Asperger Syndrom durch die Beobachtung von Stärken und Talenten identifiziert würde, dann wäre es nicht länger im DSM IV, und man würde es nicht länger als Syndrom ansehen. Schließlich würde man von jemandem mit besonderen Stärken und Talenten weder in Etiketten mit negativem Beigeschmack reden (man sagt Künstler und Dichter, nicht künstlerisch Arroganter oder dichterisch Geistesabwesender), noch hängt man an jemandes Namen das Wort Syndrom (man sagt Sänger oder Solist, nicht Sinatra Syndrom). Wenn man die Stärken fokussiert, muß man den vorherigen Terminus, Asperger’s Syndrom, ersetzen durch einen neuen Ausdruck. Die Autoren finden, daß das Wort Aspie, welches Liane Holliday Willey auf sich selber bezogen in ihrem neuen Buch, Pretending to be normal(1999) eingeführt hat, ein Ausdruck ist, der genau richtig und zwischen den anderen talentbegründeten Ausdrücken wie zu Hause ist: Solist, Genie, Aspie, Tänzer. Mit schwindendem DSM IV Potential, führen die Autoren auch eine Beschreibung von ‘Aspie’ an einer Stelle in einem vielgebrauchten, aber noch nicht existenten Handbuch der Entdeckungen bei Menschen (MDP = Manual of Discoveries About People) ein. (Figure1) Neue Wege des Denkens führen häufig zu Entdeckungen, die fortschreitend ihre überholten Vorläufer ausrangieren. Vergleichbar hat auch der Wechsel von Asperger’s Syndrom zu Aspie interessante Auswirkungen und bietet neue Möglichkeiten. Er könnte dahin führen, daß typische Menschen ihre Reaktionen überdenken, und die bisher verpaßte Möglichkeit retten, einen Vorteil für Kultur und Wissen aus dem Beitrag der Aspies zu ziehen.

Figure1: Kriterien für die Entdeckung von Aspie, von Attwood und Gray

*A. Qualitative Vorteile in sozialer Interaktion, manifestiert in der Mehrzahl der folgenden Punkte:

1. Beziehungen zu Altersgenossen geprägt von absoluter Loyalität und untadeliger Zuverlässigkeit
2. frei von sexistischer, ‘alters-istischer’ oder kulturalistischer Voreingenommenheit, Fähigkeit andere mit ihrem ‘Nennwert’ zu betrachten
3. man sagt, was man denkt, ungeachtet des sozialen Kontextes bzw. Festhalten an der eigenen Meinung und Einstellung
4. Fähigkeit, persönliche Theorien oder Perspektiven zu verfolgen trotz offenkundiger Konflikte
5. Suche nach Zuhörern oder Freunden mit folgenden Fähigkeiten: Enthusiasmus für einzigartige Interessen und Themen; Wertschätzung von Details; Zeit verbringen, ein Thema zu diskutieren, das möglicherweise nicht von primärem Interesse ist
6. Zuhören, ohne permanentes Urteilen oder voreilige Schlüsse zu ziehen
7. hauptsächlich interessiert an signifikanten Beiträgen eines Gesprächs; Neigung ‘ritualistischen small talk’ oder sozial triviale Bemerkungen und oberflächliche Konversation zu vermeiden
8. Suche nach aufrichtigen, positiven, ehrlichen Freunden mit einem zurückhaltenden Sinn für Humor

*B. Flüssig in ‘Aspergerese’ einer sozialen Sprache, charakterisiert durch mindestens drei der folgenden Punkte:

1. Entschlossenheit, die Wahrheit zu suchen
2. Konversation frei von versteckten Bedeutungen oder Andeutungen
3. fortgeschrittenes Vokabular und Interesse an Wörtern
4. Faszination an auf-Wörter-basierendem-Humor, wie in Wortspielen
5. fortgeschrittener Gebrauch von bildhaften Vergleichen

*C. Kognitive Fähigkeiten, charakterisiert durch mindestens vier der folgenden Punkte:

1. starke Bevorzugung von Details vor dem Gesamtbild
2. originelle, oft einzigartige Weise der Problemlösung
3. außergewöhnliches Gedächtnis und/oder Erinnerung an Details, die oft von anderen vergessen oder ignoriert werden, wie z.B. Namen, Daten, Zeitpläne, Routinen
4. begierige Ausdauer Informationen über ein interessierendes Thema zu sammeln und zu katalogisieren
5. Beharrlichkeit des Denkens
6. enzyklopädisches, oder ‘CD-ROM’ Wissen über ein oder mehrere Themen
7. Wissen um Routinen, und ein fokussierter Wunsch, Ordnung und Genauigkeit zu bewahren
8. Klarheit um Werte/Entscheidungen, ungeachtet politischer oder finanzieller Faktoren

*D. Mögliche zusätzliche Merkmale:

1. scharfe Empfindlichkeit gegenüber spezifischen sensorischen Erfahrungen und Stimulierungen, z.B. Hören, Berührung, Sehen, und/oder Geruch
2. Stärke in Einzelsportarten oder Spielen, insbesondere solche, die Ausdauer oder scharfes Sehen verlangen, einschließlich Rudern, Schwimmen, Bowling/Kegeln, Schach
3. ‘sozial unbesungener Held’ mit vertrauensvollem Optimismus: häufiges Opfer der sozialen Schwächen anderer, dennoch standfest im Glauben an die Möglichkeit ehrlicher Freundschaft
4. erhöhte Wahrscheinlichkeit über der allgemeinen Bevölkerung nach der weiterführenden Schule eine Universität/Hochschule zu besuchen
5. oft fürsorglich anderen gegenüber außerhalb des Rahmens der typischen Entwicklung

Typische Reaktionen überdenken
Viele mögen sich an das frühe elementare Lese- und Arbeitsbuch aus der Zeit des Wirtschaftswunders erinnern, mit dem Titel ‘Think and do’ (Denke und handle’). Der Titel alleine hatte schon eine starke erzieherische Leistung. Er identifizierte eine wichtige Folge von Geschehnissen, die oftmals vergessen oder übersehen wird: Denke zuerst und dann handle. Kürzlich verteilte das Indiana Resource Center ein Flugblatt mit einer ähnlich subtilen Mahnung. Sein Titel lautet ‘Rethinking our Responses’ (Unsere Reaktionen Überdenken) (Indiana Institute on Disability and Community, 1999). Der Titel präsentiert eine versteckte Herausforderung an Eltern und Professionelle, ‘erneut zu denken und dann anders zu handeln’. Bewaffnet mit diesen positiven Kriterien für Aspie, Überdenken enthüllt einige neue Ahnungen und Möglichkeiten für Reaktionen.

Die Diagnosekriterien für Asperger Syndrom, und die definierenden Charakteristika für Aspie sind merklich unterschiedlich, obwohl sie dieselbe Gruppe von Menschen beschreiben. Im Grunde genommen ist das, was Menschen mit Asperger Syndrom von Aspie-Individuen unterscheidet, ist, wie andere reagieren.

Drei hilfreiche, überdachte Reaktionen sind:

1) Ein Fokus auf das Potential,
2) bedeutungsvolle Bestätigung, und
3) ein Ablegen von sozialer Arroganz für Übereinkunft und Akzeptanz.

1) Ein Fokus auf das Potential
Es gibt kein Argument und keinen Zweifel daran, daß Aspie Kinder und Erwachsene Unterstützung und Hilfe brauchen, genau wie auch jene die mit Asperger Syndrom diagnostiziert werden. Sie müssen informiert werden, und die Geheimnisse des typischen sozialen Verständnisses lernen, und sie beanspruchen Hilfe im Verhandeln mit der gesellschaftlichen Welt, die sie umgibt. Die Herausforderung mag sorgenfreier sein für Aspies als für jene mit Asperger Syndrom, als eine direkte Folge durch die Menschen, die um sie herum sind. Folgendes Beispiel sei zu bedenken:

Mit acht Jahren zeigt Patrick ein außerordentliches künstlerisches Talent. Er führt Projekte aus, die weit außerhalb der Fähigkeiten typischer Grundschüler liegen. Von besonderem Interesse und großer Faszination sind in der Tat die Statuen und Modelle, die er kreiert. Patricks Arbeiten sind schon in örtlichen Bibliotheken und Verwaltungsgebäuden ausgestellt worden. Seine Eltern und Lehrer schätzen, daß Patrick in Zukunft möglicherweise ein angesehener Bildhauer oder Werbekünstler wird - und daß dieses Talent gefördert und ermutigt werden sollte. Patrick ist ein fröhliches Kind mit vielen Freunden. In der Klasse kann er effektiv in kleinen oder größeren Gruppen arbeiten, und lebt für die rauhen und durcheinandergehenden sozialen Gelegenheiten der Pausen. Patrick hat auch Schwierigkeiten in Mathematik, beansprucht Nachhilfeunterricht und spezielle Hilfe um unter all den Zahlen und Rechenarten über Wasser zu bleiben. Das Schuljahr fängt bald wieder an, und Patricks neue Lehrerin, Mrs. Calder, ist begeistert, ein Teil seiner schulischen Laufbahn zu sei, schätzt seine unglaublichen Gaben, und sucht nach Wegen, um seine mathematischen Fertigkeiten aufzubauen. Mrs. Calder redet von Patricks Potential, ohne auf seine Schwachstelle in der Prognose für Mathematik hinzuweisen. Miguel startet ebenfalls dieses Jahr in Mrs. Calders Klasse. Miguel ist sehr stark Aspie. Wie Patrick, so hat auch Miguel unglaubliche Fähigkeiten. Vor allem wird Miguel wertgeschätzt wegen seines einzigartigen, scheinbar dreidimensionalen Denkens; seines Wissen über ausgestorbene Insekten der südamerikanischen Regenwälder und Sear’s Raum-Luftentfeuchter; seiner Ehrlichkeit, die seinen Kameraden die Schamröte ins Gesicht steigen läßt, und seinem Befolgen der Regeln und Routinen. Anders als bei Patrick allerdings müssen Miguels Eltern und Mrs. Calder zugeben, daß sie ‘nicht einmal raten können’, wohin seine einzigartigen Talente in der Zukunft hinführen könnten. Jedoch müssen sie auch zugeben, daß Miguel im Alter von acht Jahren Dinge tun kann, zu denen sie nicht fähig sind. Aber sie kommen dennoch zu dem Ergebnis , daß er einzigartige Fähigkeiten besitzt, mit einer Zukunft, die sie sich nicht vorstellen oder ausmalen können, Gaben, die aber gefördert und ermutigt werden sollten. Mrs. Calder ist sich der sozialen Schwierigkeiten, die Miguel auf dem Schulhof, und bei der Arbeit in kleineren oder größeren Gruppen umgeben, bewußt, und sie sucht nach Strategien, um ein gegenseitiges Verstehen zwischen Miguel und seinen Klassenkameraden aufzubauen. Miguel sucht nach ehrlicher Freundlichkeit bei den Anderen - Mrs. Calder hat sich zum Ziel gesetzt, daß er sie in ihrem Klassenraum, auf dem Schulhof und zur Essenspause finden wird. Sie möchte, daß er seine Gaben vervollkommnet, ebenso wie Patrick.

Jene, die aufrichtig Aspies verstehen, sehen klar deren Stärken und betrachten ihre Schwierigkeiten mit Geduld und Unterstützung. Liane Holliday Willey beschreibt ihre besten Freunde:

’...Sie beleuchten ganz einfach das, was durch mein AS besser ist, meine Geradlinigkeit und Bestimmtheit und Kreativität und Beharrlichkeit und Loyalität. Denn sie sehen mich zuerst als jemanden, der viele gute Qualitäten besitzt, und erst dann als jemanden, der einfach ein klein wenig anders ist, sie geben mir die Ahnung, mich ebenfalls in diesem Licht sehen zu können.’ (S. 73)

2) Bedeutungsvolle Bestätigung
Bestätigung ist ein wichtiger, gesellschaftlicher Prozeß. Ein Kind wird gelobt, wenn wertgeschätzte Züge bemerkt und erkannt werden von Anderen, ‘Sam, was bist du für eine große Hilfe!’ oder ‘Angela, was du getan hast war wohlüberlegt!’ Kinder haben die Fähigkeit, auch das kleinste indirekte ‘Plus’ oder Lob zu erkennen. Zum Beispiel hilft Johannes einem Klassenkameraden die korrekte Seite zu finden, und bemerkt einen anerkennenden Blick seiner Lehrerin. Sofort wird ihre Anerkennung erkannt, und kann Johannes ermutigen, in Zukunft weiterhin anderen zu helfen. Johannes erhält weitere, ähnliche, aber wichtige ‘Plusse’ im Laufe des Tages, genügend, um die Kritik des Mittagspausenaufsehers, sein Abfall fallengelassen zu haben, abfangen zu können. Ein Kind versteht bereitwillig die Bedeutung verbalen und nicht-verbalen Lobes, wichtige Botschaften, die das Selbstvertrauen beeinflussen. Wenn Selbstvertrauen heißt, daß es dem persönlichen Glauben nach ‘in Ordnung ist, zu sein, was man ist’, dann ist Bestätigung die Demonstration dessen, und das Verständnis, daß andere damit übereinstimmen.

Im Gegensatz dazu, können verpaßte Gelegenheiten und Mißverständnisse die Anstrengungen von Eltern und Professionellen, daß Kind positiv zu bestärken, aus der Bahn werfen. Die Züge, die ein Aspie Kind an sich selbst wertschätzt (Logik, Gedächtnisleistung, Intelligenz, Genauigkeit und Ehrlichkeit) können sich von den Zügen, die Eltern und Experten typischerweise wertschätzen, sehr unterscheiden (Sensibilität, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft). Dies kann andere dazu bringen, mangelhaft positiv auf die Qualitäten zu reagieren, die das Aspie Kind für wichtig hält. Aus der Sicht des Kindes, ‘Nie bemerkt oder achtet mich jemand.’ Unterstützende, fürsorgliche Eltern und Experten mögen ein Aspie Kind loben, wie sie ein typisches Kind loben würden, mit Phrasen wie ‘Gut gemacht!’ oder ‘Wie nett von dir ... zu teilen’. Diese Anmerkungen mögen aber wenig Bedeutung beinhalten für ein Aspie Kind, das in sichtbaren, greifbaren Begriffen denkt. Das geringe Interesse des Kindes an dieser Art Lob kann fehlinterpretiert werden, wenn typische Menschen daraus schließen, ‘Er reagiert einfach nicht auf Lob’. Am Ende des Tages fühlt sich ein Aspie Kind möglicherweise überwältigt und ohne Unterstützung; Seine Eltern und Lehrer fühlen sich möglicherweise ebenfalls verloren auf der Suche, etwas zu entdecken, was das Kind motiviert. Obwohl Bestätigungs-‘blöcke für die Brücke’ auf beiden Seiten der sozialen Gleichung vorhanden sind, sind die Blaupausen doch manchmal unterschiedlich.

Um ein Aspie Kind bedeutungsvoll zu bestätigen, ist ein Verständnis seiner Stärken und seiner gesellschaftlichen Perspektive hilfreich. Das Erkennen und Loben der Züge, die das Kind an sich selber wertschätzt, zusätzlich zu solchen Fertigkeiten und Leistungen, die soziales Wachstum zeigen, kann des Kindes Selbstvertrauen aufbauen, während es eine oft herausfordernde, soziale Welt zu meistern sucht. Figure2 beschreibt fünf spezifische Strategien, um Lob, Bestätigung und sozialen Errungenschaften eine Bedeutung zu verleihen.

Ohne Zweifel könnten die Aspie Kriterien einer Bevölkerungsgruppe, die es verdient hat, Vertrauen (zurück)geben Das Wissen, daß andere persönliche Stärken erkennen und anerkennen, könnte das benötigte Vertrauen bereitstellen, um persönliche Talente aufzubauen und zu erforschen, und Herausforderungen zu meistern. In einer Beschreibung ihrer Freunde zeigt Liane Holliday Willey folgendes

‘...sie sind so loyal in ihren Bestätigungen, daß ich so, wie ich bin, in einfach Ordnung bin. In ihren Augen bin ich vollkommen in Ordnung. Jeder von ihnen tut meine Eigenheiten mit einem Lächeln und einer Armbewegung ab... Sie holen mich zurück, wenn ich zu weit gehe, sie bewahren mich vor offensichtlichen Fettnäpfchen, sie applaudieren, wenn ich über einen Teil von mir stolpere, der besonders wertvoll ist.’ (S.72)

3) Hinbewegen zu Übereinkunft und Akzeptanz statt Arroganz
Ohne kritisieren oder mit dem Finger zeigen zu wollen, typische Menschen sind gesellschaftlich arrogant. Es scheint in ihrer Natur zu liegen, etwas wofür sie nichts können. Beweis: Typische Menschen sind fasziniert von - und besorgt über - jeden, der nicht total begeistert von, oder verliebt ist in, ihre Aufforderung zur Teilnahme an Gesprächen oder Spielen.- Wie kann das sein? Typische Menschen sehen sich selbst als unschätzbare Gelegenheiten; selbstverständlich sollte jeder entzückt sein, ein Partner ihrer Interaktion zu sein. Jedenfalls, wenn er ‘normal’ ist.

Figure2: Fünf Strategien, um Lob, Bestätigung und sozialen Errungenschaften eine Bedeutung zu verleihen.

1) Das beste Lob ist, wenn andere persönlich für wertvoll erachtete Züge und Stärken bemerken. Es ist wichtig für Eltern und Experten, sich Zeit zu nehmen, um diese Züge kennenzulernen, die vom Aspie Kind für besonders wichtig und/oder wertvoll gehalten werden. Zusätzlich, dadurch daß sie die Stärken durch die neuen Aspie Kriterien entdecken können, mögen Eltern und Experten bereitwilliger solche identifizieren und anerkennen, wenn sie sich zeigen. Züge, wie Loyalität, Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen, Logisches Denken, Intelligenz und Aufrichtigkeit sind des häufigen Lobes wert.

2) Bedeutungsvolle Bestätigung stützt sich auf akkurate Zuweisung. Zum Beispiel mag ein Kind hartnäckig durchhalten, weil es verwandt ist mit neun weiteren Familienmitgliedern, die ebenfalls diesen Zug aufweisen. Während Aspie assoziiert wird mit bestimmten Stärken, so ersetzt es dennoch nicht den Einfluß anderer wichtiger Faktoren, wie Alter, Persönlichkeit, Charakter oder ererbte Persönlichkeitszüge und Talente. Wenn man auf diese Faktoren zuerst schaut, erhöht man damit den Wert und die Genauigkeit von Lob. Wenn andere Faktoren einen Zug oder ein Talent nicht erklären, oder seine Intensität, dann mag dem Aspie Faktor die Anerkennung dafür gebühren, oder mindestens ‘ehrenvolle Würdigung’ als eine, von einer Kombination von Faktoren.

3) Die Bedeutung eines Lobes kann verstärkt werden dadurch, daß das Kind Zugang zu Dingen seines Interesses erhält (Bücher, Musik, Computer), daß jemand sich Zeit nimmt, und Interesse zeigt an einem Thema, das dem Kind wichtig ist, oder daß man sichtbare Materialien benutzt, um abstrakte Leistungen zu symbolisieren (‘blaues-Band-Anstrengung’, oder ‘Goldmedaillen-Hilfsbereitschaft’).

4) Sozialgeschichten fügen sozialen Informationen Bedeutung hinzu, inklusive Lob. Sie sind ‘wahrhaftig zu Hause’, weil sie die Züge loben, die die Aspie Person an sich selber schätzt. Eine Sozialgeschichte kann den Gebrauch von Logischem Denken eines Kindes beschreiben, einer Leistung Beifall spenden, oder ein Talent rühmen. Die Information eingebettet - und passende Photos oder Beispielarbeiten - in eine Geschichte, kreiert eine greifbare, positive Erinnerung, die dem Kind helfen kann, seine Stärken und Werte zu begreifen.

5) Bedachtes wählen der Worte und Phrasen, die Eltern und Experten anwenden, um Lob auszudrücken - besonders bei sozialen Errungenschaften - kann große Resultate erzielen. Ein Talent beiläufig erwähnen, wenn einer sozialen Leistung Anerkennung gezollt wird (‘Was für eine logische Freundlichkeit von dir!’ oder ‘Was für eine intelligente Idee Alina zum Spielen einzuladen!’, oder ‘Es ist klug von dir, Betty eine Weile mit dem Spielzeug spielen zu lassen’), kann des Kindes Aufmerksamkeit verbessern, und der erkannten sozialen Fertigkeit Bedeutung geben.

Die Liste sozialer Vorteile von Aspie Individuen in Figure1 hat ihre Wurzeln in den sozialen Herausforderungen für Menschen mit Asperger Syndrom. Jemanden als sozial ‘neu’ oder ‘einzigartig’ zu betrachten, enthält mehr Potential, als die negativen Gegenstücke ‘peinlich’ oder 'unangepaßt'. Dies verlangt soziale Kreativität. In diesem Fall mag es hilfreich für neurotypische Menschen sein, soziale Interaktion als einen Trip durch Einwanderung und Zollstellen zu betrachten. Jeder, der zwischen verschiedenen Ländern reist, kennt die Angst, auf einen Zollbeamten zuzugehen, der von diesem Land dazu ernannt worden ist, darauf zu achten, daß die Einreiseregeln für die Erlaubnis eingehalten werden. Hier gelten strenge Regeln; die Fragen sind konkret und ein wenig unhöflich: ‘Warum sind Sie hier, und wann reisen Sie wieder aus?’ ‘Sind Sie hier aus persönlichen oder aus geschäftlichen Gründen?’ (Mit anderen Worten, ‘Sind Sie hier, um Los Angeles zu besuchen oder zu 'kaufen'?’)

Der Prozeß schürt die soziale Angst - Sehe ich für diese Leute sicher und freundlich genug aus (die leidenschaftslos autoritär und ohne Manieren zu sein scheinen) um mich unter ihnen in ihrem Land aufhalten zu dürfen? Oder müssen sie meine persönlichen Dinge durchwühlen, um beurteilen zu können, ob ich eingelassen werden darf? Für Aspie Leute ist da ein täglicher Einwanderungs- und Zollstellen-Prozeß - eine fortwährende Angst, Dinge ja ‘richtig’ zu tun und zu sagen, den nötigen, gesellschaftlichen ‘Ausweis’ zu besitzen, den typische Menschen permanent bei anderen suchen, bevor sie sich mit ihnen anfreunden.

Welche sozialen Kriterien sind absolut notwendig für typische Menschen um Aspies durch soziale Einwanderungs- und Zollstellen hindurchzulassen - ist es überhaupt möglich, die Regeln sozialer Akzeptanz zu dehnen? Können typische Menschen Interesse zeigen an ungewöhnlichen Themenbereichen? Ist typischer Tonfall und glattlaufende Koordination des Gesichtsausdruckes - Herr über die manchmal in Konflikt geratende Zusammenarbeit von gemeinter und gesagter Bedeutung - essentiell, um Jemanden als Freund zu betrachten? Ist es in Ordnung Freude zu zeigen, indem man mit Händen und Armen bewegt? Ist es möglich, sich geduldig Zeit zu nehmen, um eine Situation zu erklären, die doch offensichtlich erscheint? Ist es in Ordnung für Jemanden, kognitive Fähigkeiten zu besitzen, die in der typischen Bevölkerung gewöhnlich nicht zu finden sind?

Arroganz durch Akzeptanz zu ersetzen ist ähnlich dem Gebrauch von Sauerstoffmasken in Flugzeugen. Die Flugbegleiter beginnen jeden Flug damit, eine lebensrettende Regel in Bezug auf die Masken zu beleuchten: ‘Hilf dir selbst, bevor du anderen hilfst’. Diese Regel scheint im Kontrast zu stehen zu der natürlichen Neigung, zuerst denen zu helfen, die am hilflosesten zu sein scheinen. Das Problem ist, wenn man dieser Neigung nachgibt, könnten zwei Menschen in Schwierigkeiten in Bezug auf Luft und Überleben geraten; diejenigen, die zuerst anderen mit deren Maske helfen, könnten für immer die Möglichkeit verlieren, weiterhin hilfsbereit handeln zu können. Soziale Akzeptanz funktioniert auf demselben Prinzip. Es ist die Anstrengung wert, die Annahmen und Voreingenommenheit sozialen Zolls und Einwanderung zu erforschen - um ihren Einfluß zu entdecken, und Korrekturen vorzunehmen, wo notwendig. Danach kann man anderen helfen.

Eine verpaßte Gelegenheit retten
Typische Menschen sind oft sehr scharfsinnig, verpaßte Möglichkeiten zu identifizieren, und zeigen dies meist sehr deutlich, wenn sie dies tun. Die Bahn verläßt die Station, und die Zurückbleibenden können rasch benennen, wer in dieser Bahn sitzen wollte, und es nicht tut. Oder: Ein junger Mann ist zu einem Vorstellungsgespräch für eine erwünschte Position in einer Firma, verbringt einen Achtstundentag am Telefon, wartend auf einen Anruf, der um 17:00 getätigt wird, und ihm wird erklärt, daß ein anderer die Stelle bekommen hat. Er legt auf und benennt diese Firma mit einer neuen, aber unfreundlichen Bezeichnung. Gelegenheiten sind nicht schwer zu identifizieren, noch bleibt es unbemerkt, wenn sie durch die Finger rinnen.

Die Entdeckung der Aspies rückt einige wertvolle, gefährdete Gelegenheiten ins Blickfeld, die wiederholt vorbeimarschiert sind, ohne daß ihr Potential adäquat erkannt worden wäre. Es gibt eine Gelegenheit neue Freunde zu finden; eine Chance jene zu bedenken die vergleichbar unangenehm zu sein scheinen, aber entschieden ehrlicher und aufrichtiger. Außer der Entdeckung neuer Freundschaften, gibt es die Möglichkeit, einzigartige Perspektiven und Talente, Probleme zu meistern, nutzbar zu machen. Es gibt einiges zu tun im kommenden Jahrhundert - Krankheiten zu heilen, Umwelt zu retten, Freiheit zu bewahren. Glücklicherweise gibt es Menschen mit Denkweisen, fähig, die Herausforderung anzunehmen, fähig, zu fokussieren und zäh durchzuhalten. Sie besitzen Perspektiven und Talente, die einzigartig genug sind, die größten Probleme zu lösen, oder die herausforderndsten Projekte zu verstärken. Sie sind Aspies. Sie sind der lebende Beweis dafür, daß die besten Orte zum Spielen immer die sein werden, die erst entdeckt werden.

übersetzt von: Diana Leineweber,
mit freundlicher Genehmigung von Dr. Tony Attwood


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